Donnerstag, 9. Februar 2012

Urbanes U-bahnen


Mein tägliches Arbeitsweg ist so lächerlich kurz, dass sich eigentlich kaum Gewöhnungseffekte einstellen können, trotzdem schleicht sich eine bemerkenswerte Einheitlichkeit in diesen Lebensabschnitt. Morgens fix unterm Toretbogen durch (wird vom dortigen Wohnheiminsassen meistens mit "Hallo", "Arschloch" oder "morgen ist keine Schule" vom Dach aus kommentiert). Dann 5 Minuten Fußweg durch die benachbarte Tetrapack Hochhaussiedlung bis zum Loch in der Erde von wo die Bahn wegfährt. Vor der Klinik-Baustelle laufen immer Nonnen rum, keine Ahnung in welchem Zusammenhang das steht. Dann ab unter die Erde, rein ins öffentliches Verkehrsnetz.

Ich fahr nur 2 Stationen, Platzsuche erübrigt sich zum Glück. In letzter Zeit sieht man immer mehr Menschen mit e-Readern. War bis vor kurzem noch das Smartphone des Reisenden bester Freund, so scheint nun eine literarische Aufrüstung ihren Siegeszug durch die pendelnden Züge anzutreten.

Wahrscheinlich bin ich anachronistisch und weltfremd, aber ich hab kein Smartphone. Das liegt hauptsächlich daran, dass ich nicht wüßte, wofür ich dieses schweizer Taschenmesser unter den Telefonen brauche. Ich habe ein Telefon und ich benutze es zum Telefonieren. Das ist natürlich schrecklich weltfremd und katapultiert mein technisches Lifestyle-Karma bei der nächsten Reinkarnation auf Einzeller Niveau, aber solange es noch keine funktionierende Korkenzieher-App gibt, sehe ich keinen Grund mein Telefon zu wechseln.
 
Ich hab auch keinen e-Reader. Dies hat allerdings schon handfestere Gründe. Ich mag Bücher. Ich mag auch Buchhandlungen und Bibliotheken. Da fängts ja schon an, statt durch Regale voller Buchrücken zu streifen gibts Bücher aus dem Internet. Neee das kann ich meinem Buchhändler nicht antuen, dafür hat er nicht 1968 Kaufhäuser angezündet (mein Buchhändler kam nämlich vom anderen Stern). Bücher im Internet angucken ist ja ganz komfortable, zum Bestellen latsch ich aber immer noch in eine kleine Buchhandlung, im Idealfall eine die weder Bertelsmann noch Weltbild gehört.

Mir widerstrebt auch die Vorstellung auf Strom oder einen Akku angewiesen zu sein, wenn ich lesen will. Ja für "alte-Leute-Style-lesen" brauch ich auch Licht und das ist wenn nötig weil nächtens meist auch elektrisch, aber die Vorstellung ein Buch nur aufschlagen zu können, wenn der Akku geladen ist, erscheint mir irgendwie rückschrittlich. Ausserdem mag ich den Geruch von frischen Büchern und das Gewicht eines Hardcovers, beides wird mir so ein Plastikbrett nicht liefern können.

Und schlussendlich erscheint mir das Lesevergnügen doch auch geschmälert durch den ausbleibenden Ausblick bzw. stolzen Rückblick wie viele Seiten noch vor/hinter mir liegen. Ich prophezeie weder dem e-Reader noch dem Smartphone einen Platz in meiner Jacke.
Apropos; Warum tragen all diese e-Reader-Leser eigentlich diese bescheuerten Jacken mit dem Logo, das auf schweizer Taschenmesser machen will. Was vor ein paar Jahren noch die Jack Wolfskinhead Allzweckjacke war ist nun die Wellensteyn Jacke mit dem weißen Kreut auf rotem Grund..
Gleichgeschaltete Konsumklone, die sich ihre Individualität in praktischen Apps aufs Smartphone laden, die Wellensteyn Jacke im Mao Einheitslook und das kleine rote Buch auf dem eReader. Und das jeden Morgen zwei Stationen lang...

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